- Grippeimpfung ist weniger wirksam als gedacht
Alle Jahre wieder heißt es: „Grippezeit – Zeit zum Grippeimpfen!“ Laut Meldungen des Robert-Koch-Instituts scheint jedoch der aktuelle Impfstoff weniger effektiv zu wirken als erwartet. Dies begründet sich durch die schnelle Wandelbarkeit der Grippeviren. Eine Impfempfehlung wurde dennoch für alle Risikopatienten ausgesprochen.
Influenza – von harmlos bis komplikationsreich
Die echte Grippe (Influenza) grassiert auf der Nordhalbkugel vorrangig zwischen Dezember und April und unterscheidet sich von Erkältungen durch andere Viren vor allem durch den rasanten Fieberanstieg – fühlt man sich am Morgen noch gesund, liegt man abends schon mit Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen auf dem Sofa. Für ansonsten gesunde Menschen ist eine Grippeinfektion zwar eine unangenehme und teilweise langwierige Erkrankung, sie erholen sich jedoch meist vollständig von der Krankheit. Anders kann es bei Personen mit Vorerkrankungen, also zum Beispiel einem Herzleiden oder Lungenproblemen, verlaufen: Gefürchtete Komplikationen einer Influenza-Infektion sind dann unter anderem eine bakterielle Superinfektion und damit verbundene Lungenentzündung, auch kann der Herzmuskel oder das Gehirn mit erkranken.[1] Um solche Komplikationen zu vermeiden, empfiehlt die ständige Impfkommission (STIKO) Personen über 65 Jahren, Schwangeren und allen Menschen mit Grunderkrankungen ab dem 6. Lebensmonat die jährliche saisonale Influenza-Impfung. [2]
Verwandlungskünstler Grippevirus
Doch warum muss man sich jedes Jahr erneut gegen die Grippe impfen lassen?
Die Grippe wird durch Influenza-Viren ausgelöst, die in zwei Typen unterschieden werden: Influenza A und Influenza B. Innerhalb dieser Typen werden die Viren weiter unterteilt: Sie tragen unterschiedliche Moleküle auf ihrer Oberfläche. So kommt dann beispielsweise die Zusatzbezeichnung H1N1 zustande, wobei H und N jeweils für ein Oberflächenmolekül stehen. Doch auch ein H1 gleicht nicht zwangsläufig jedem H1: Da die Viren für ihre Vermehrung keine so guten Kontroll- und Reparaturmechanismen haben wie wir für das menschliche Erbgut, entstehen bei der Virenvermehrung häufiger „Fehler“ im Viruserbgut. Dadurch kann dann beispielsweise das Oberflächenmolekül H1 ein bisschen anders aussehen als das vorherige. Was erst einmal wie eine schlechte Qualitätskontrolle klingt, ist für das Virus von Vorteil: Je mehr Varianten ausprobiert werden, desto eher findet sich vielleicht eine neue Variante, die „stärker“ oder langlebiger ist als die Vorversion.[3]
Weil sich die Influenzaviren so oft verändern, muss der Grippeimpfstoff jedes Jahr neu angepasst werden. Dabei orientieren sich die Entwickler an den Influenza-Stämmen, die in den letzten Saisons vertreten waren. Außerdem wird genau geschaut, welche Viren auf der Südhalbkugel auftauchen, da dort die Saison genau versetzt stattfindet, also in unserem Sommer. Weil der Impfstoff bereits im Oktober und November vor der Saison eingesetzt wird um dann die Geimpften ab Winteranfang gut zu schützen, handelt es sich beim Influenza-Impfstoff
immer um eine „Vorhersage“, welche Viren wahrscheinlich
in dieser Saison auftreten werden.
Und was passt dieses Jahr nicht?
Der aktuelle Impfstoff für die Saison 2014/2015 enthält 3 Virusbestandteile: Gegen zwei Influenza A – Subtypen (H1N1 und H3N2) und einen Bestandteil gegen Influenza B. Seit die Influenza-Saison gestartet ist, untersucht das Robert-Koch-Institut viele Proben auf die verschiedenen Influenza-Viren. Wird ein Virus nachgewiesen, wird dann geschaut, ob es dem Virus entspricht, gegen das die Impfung schützt.
Für den Influenza-A-Subtypen H1N1 hat dies sehr gut funktioniert, bisher wurden größtenteils die H1N1-Viren nachgewiesen, gegen die die Impfung schützen kann. Für die Influenza-B-Viren gibt es noch nicht genug Proben.
Die H3N2-Viren, die bisher nachgewiesen wurden, passen leider größtenteils nicht zu dem Stamm, gegen den die Impfung helfen soll, da sich ihre Oberflächenstrukturen etwas verändert haben.[4] Damit sinkt auch die Wirksamkeit der Impfung. Dies ist insofern besonders ungünstig, da in diesem Jahr H3N2 der am häufigsten vertretene Subtyp ist
(wenn auch die gesamte Saison bisher eher mild verläuft)[5].
Die gute Nachricht: Es konnte eine sogenannte Kreuzreaktivität nachgewiesen werden, was bedeutet, dass die Antikörper die durch die Impfung gebildet wurden auch zum Teil gegen den neuen Subtypen des H3N2-Virus wirken.[6] Da eine Impfung nie zu 100 Prozent wirken kann, kann auch ein Geimpfter an einer Influenza erkranken. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass die Krankheit dann insgesamt milder verläuft. Der aktuelle Impfstoff kann damit trotz der eingeschränkten Wirksamkeit die Dauer einer Influenzaerkrankung verkürzen, Symptome mildern und Komplikationen verhindern.
Ist eine Influenzaimpfung dann dieses Jahr überhaupt sinnvoll?
Auch wenn die Influenza-Impfung in diesem Jahr nicht ideal auf die tatsächliche Zusammensetzung der zirkulierenden Grippeviren passt, schützt sie dennoch vor einem Teil der Viren. Da die Therapiemöglichkeiten bei einer Grippeinfektion eingeschränkt sind, ist die wichtigste schützende Maßnahme vor Influenza-Komplikationen immer noch die Impfung. Deshalb empfehlen das Robert-Koch-Institut und das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) weiterhin auch für die aktuelle Saison die Influenza-Impfung für alle Personen über 65 Jahren und Personen mit Grunderkrankungen wie Asthma, Herzinsuffizienz oder Diabetes mellitus. [7] Auch allen Schwangeren wird die Impfung dringend empfohlen, da im Falle einer Influenza-Infektion sowohl Komplikationsrisiken für die Mutter als auch für das ungeborene Kind bestehen.[8]
Zusätzlich weist das ECDC darauf hin, dass die aktuellen Viren größtenteils als sensibel auf die gängigen Medikamente gegen Grippe (Oseltamivir und Zanamivir) getestet wurden. Ärzte sollen deshalb auch eine Behandlung mit diesen Medikamenten in Betracht ziehen, wenn es zu einer Infektion gekommen ist. Zusätzlich lassen sich die Medikamente als Post-Expositions-Prophylaxe einsetzen, sie können also verabreicht werden, wenn ein Risikopatient Kontakt zu einem Influenza-Patienten hatte.[9]
Trotz verminderter Effektivität Empfehlung zur Grippeimpfung
Das Robert-Koch-Institut arbeitet weiter daran, die Virus-Subtypen genau zu bestimmen und hat bereits Informationen über den neuen Stamm als Empfehlung für die Impfung der Südhalbkugel (für nächsten Sommer) weitergeleitet.[10] Da hierzulande die aktuelle Grippesaison bis jetzt eher schleichend angelaufen ist und sich die Infektionen bisher in Grenzen halten, ist eine Grippeimpfung auch noch in den Monaten Februar und März durchführbar. Trotz der verminderten Effektivität können sich so Risikopatienten vor einer schweren Influenza-Infektion schützen.
Quellenangaben:
[1] Robert-Koch-Institut: „Ratgeber Influenza“ http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Influenza.html
zuletzt aufgerufen am 03. Februar 2015
[2] Robert-Koch-Institut: Influenza-Impfung FAQ http://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Influenza/faq_ges.html
zuletzt aufgerufen am 03. Februar 2015
[3] Robert-Koch-Institut: Häufig gestellte Fragen und Antworten zur Grippe: http://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Influenza/FAQ_Liste.html
zuletzt aufgerufen am 03. Februar 2015
[4] Robert-Koch-Institut: Wochenbericht Arbeitsgemeinschaft Influenza 51/2014: https://influenza.rki.de/Wochenberichte/2014_2015/2014-51.pdf
[5] Robert-Koch-Institut: Arbeitsgruppe Influenza: https://influenza.rki.de/
zuletzt aufgerufen am 03. Februar 2015
[6] Robert-Koch-Institut: Wochenbericht Arbeitsgemeinschaft Influenza 04/2015: https://influenza.rki.de/Wochenberichte/2014_2015/2015-04.pdf
[7] European Centre for Disease Prevention and Control. Circulation of drifted influenza A(H3N2) viruses in the EU/EEA 22 December 2014. Stockholm: ECDC; 2014. http://ecdc.europa.eu/en/publications/Publications/RRA-InfluenzaA-H3N2-Dec-2014.pdf
[8] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Impfen-Info.de „Grippe-Impfung bei Schwangeren“ http://www.impfen-info.de/impfempfehlungen/fuer-schwangere/grippe/
zuletzt aufgerufen am 03. Februar 2015
[9] Sander, Beate, et al. „Post-exposure influenza prophylaxis with oseltamivir.“ Pharmacoeconomics 24.4 (2006): 373-386.
[10] Robert-Koch-Institut: Wochenbericht Arbeitsgemeinschaft Influenza 04/2015: https://influenza.rki.de/Wochenberichte/2014_2015/2015-04.pdf
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Veröffentlicht durch: | Erkältet.info-Redaktion |
Erstellt am: | 06.02.2015 |
Zuletzt aktualisiert am: | 08.11.2017 |
Prüfzyklus: | jährlich |