- Krankheiten früh richtig deuten – Das besondere Gripperisiko von Senioren
„Das ist doch sicher nur eine harmlose Erkältung!“, ist häufig der erste Gedanke bei Symptomen wie Kratzen im Hals, Hüsteln oder einer verstopften Nase. Doch besonders in der Herbst- und Winterzeit können diese Krankheitszeichen auch aufgrund einer Infektion mit dem Grippevirus auftreten [1]. Die Grippe ist eine ernstzunehmende Viruserkrankung, die besonders für Senioren gefährlich werden kann. Im Alter ist das Immunsystem nicht mehr so agil wie bei Jüngeren und Vorsorgemaßnahmen wie die Grippeschutzimpfung sind von großer Bedeutung [2]. Für Senioren ist es wichtig, eine Grippe früh zu erkennen und sofort eine geeignete Behandlung einzuleiten.
Die Grippe
Das Grippevirus wird fachsprachlich auch Influenzavirus genannt. Es verbreitet sich leicht über die Verneblung feiner Tröpfchen in der Luft, zum Beispiel nach einem Hustenstoß oder Niesen. Wenn das Influenzavirus auf die Schleimhäute eines Menschen im Bereich der Atemwege gelangt, kann es dort in die Zellen eindringen und sich vermehren. Die Abwehrreaktion des Körpers ist eine Entzündungsreaktion und führt zu den typischen Grippesymptomen. Im Wesentlichen verursacht die Grippe ein oft schlagartig einsetzendes schweres Krankheitsgefühl mit Fieber [3], also einer Körpertemperatur größer oder gleich 38,0°C [4]. Außerdem tritt im Allgemeinen oft ein trockener Reizhusten auf [3]. Es kann im Rahmen einer Grippeerkrankung auch zu Durchfall, Glieder- oder Kopfschmerzen kommen. Bei der Grippe besteht ein besonders hohes Risiko für komplizierte Krankheitsverläufe. In ungünstigen Fällen sind eine Entzündung des Herzmuskels oder des Nervensystems sowie schwerwiegende Entgleisungen des Stoffwechsels möglich. Jährlich ist die Grippe für weltweit über eine Million Todesfälle verantwortlich [5]. Das breite Spektrum der Krankheitszeichen sowie die möglichen schwerwiegenden Komplikationen unterscheiden die Grippe von anderen banalen Erkältungserkrankungen, welche zum Beispiel durch Rhinoviren oder Adenoviren ausgelöst werden.
Das besondere Gripperisiko von Senioren
Senioren über 60 Lebensjahren haben ein erhöhtes Risiko dafür, sich mit einer Grippe zu infizieren und im Verlauf der Erkrankung Komplikationen zu erleiden [5]. Grund dafür ist die natürlich einsetzende Schwäche des Immunsystems im Alter. Dieser Zustand wird fachsprachlich Immunoseneszenz genannt und kann bildhaft als „Ruhestand des Immunsystems“ verstanden werden. Die Immunoseneszenz setzt bei jedem zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt ein. Relativ einheitlich zeigt sie sich in einer maßgeblichen Funktionsschwäche der Lymphozyten. Lymphozyten sind Körperzellen, die Viren bekämpfen. Experimente an gealterten Mäusen haben gezeigt, dass deren Immunsystem das Grippevirus nicht mehr ausreichend abwehren kann. Neben Lymphozyten sind auch andere Bestandteile des Immunsystems im Alter geschwächt. Die verminderte Aktivität bestimmter Botenstoffe im Blut führt zu einer schwächer ausgeprägten Barrierefunktion der Schleimhäute gegenüber dem Grippevirus. Mehrere Studien haben einen Mangel des Botenstoffs TNF Alpha als wichtige Komponente der Immunschwäche für Grippe im Alter ausfindig gemacht [6].
Da das Immunsystem von Senioren von Natur aus weniger abwehrstark ist, ist eine Grippeschutzimpfung empfehlenswert. Das gealterte Immunsystem reagiert auch auf die Grippeschutzimpfung abgeschwächt, was zu einer geringeren Wirksamkeit der Impfung führt. Dennoch profitiert die Mehrzahl der Geimpften Senioren von einer Grippeimpfung, da sie oft zumindest schwere Krankheitsverläufe verhindern kann [2]. Aufgrund der Wandelbarkeit des Virus muss die Grippeschutzimpfung jährlich wiederholt werden.
Die Krankheitszeichen bei Senioren früh deuten
Die allgemeine Schwäche des Immunsystems führt in der Regel zu weniger starken Grippesymptomen. Senioren haben oft kein schlagartig einsetzendes, starkes Krankheitsgefühl wie es für die Grippe typisch wäre. Eher zeigt sich eine Grippe nach Studienergebnissen aus dem Jahr 2015 im Alter mit einer verstopften Nase, Husten und pfeifenden oder rasselnden Atemgeräuschen [1]. Seltener kommt es bei Senioren mit Grippe zu Fieber oder Halsweh. Die Abgrenzung einer echten Grippe von einer banalen Erkältung ist im Alter folglich schwieriger. Es ist empfehlenswert bei Atemwegssymptomen grundsätzlich auch eine Grippeinfektion in Betracht zu ziehen. Dies gilt insbesondere in Zeiten einer Grippewelle und ohne aktuelle Grippeschutzimpfung. Ein frühzeitiger Arztbesuch kann komplizierten Krankheitsverläufen vorbeugen.
Tipps zur Selbstbehandlung
Bei dem Verdacht auf eine Grippeerkrankung ist ein schneller Therapiebeginn ratsam. In erster Linie ist auf eine reichhaltige Flüssigkeitsaufnahme zu achten, um die Funktionsfähigkeit der Schleimhäute aufrecht zu erhalten [5]. Wenn keine Vorerkrankungen wie beispielsweise eine Nierenfunktionsstörung bestehen, sollten etwa zwei bis drei Liter Flüssigkeit pro Tag zugeführt werden [7]. Besonders eignet sich dazu Tee mit Kräutern wie Kamille, Thymian, Primel oder Fenchel, da diese entzündungshemmende, schleimbefreiende und darmberuhigende Wirkstoffe enthalten [8] [9] [10]. Außerdem sind körperliche Schonung und zum Beispiel Wadenwickel bei leichtem Fieber zur Selbsttherapie angeraten [5].
Eine deutschlandweite Umfrage zur Vorsorge und Behandlung bei Erkältung und Grippe hat gezeigt, dass 76% der Bevölkerung auf Hausmittel zur schonenden Beschwerdelinderung zurückgreifen. Hierunter zählt neben Hühnersuppe und Inhalationen unter anderem auch eine bewusste Ernährung mit viel Obst und Gemüse.
Bei schweren Verläufen einer Grippe, zum Beispiel mit Beteiligung der Lungen in Form einer Lungenentzündung (Pneumonie), kann eine medikamentöse Therapie nötig werden. Ursächlich wirken Arzneimittel aus der Gruppe der sogenannten Neuraminidasehemmer (Oseltamivir, Zanamivir, Peramivir) gegen das Grippevirus. Sie verhindern im frühen Stadium der Infektion die Verbreitung des Virus im Körper. So können die Neuraminidasehemmer die Krankheitsdauer verkürzen und Komplikationen vorbeugen [3]. Bei hohem Fieber, etwa über 39,0°C, kann auch der Einsatz fiebersenkender Medikamente wie Paracetamol oder Ibuprofen erwogen werden. Der Einsatz solcher Arzneimittel sollte jedoch im Voraus mit einem Arzt besprochen werden. Bestimmte Vorerkrankungen können gegen den Einsatz einzelner Medikamente sprechen [5].
Zusammenfassung
Senioren gehören zu den Bevölkerungsgruppen mit einem erhöhten Risiko für eine Infektion mit dem Grippevirus. Im Fall einer Grippeerkrankung ist eine schnelle, gezielte Therapie wichtig. Von größter Bedeutung sind Vorsorgemaßnahmen wie die Grippeschutzimpfung und ein gesunder Lebensstil, um fit durch den Herbst und Winter zu kommen.
Quellenangaben:
[1] Ann R Falsey: „ Should clinical case definitions of influenza in hospitalized older adults include fever?”, http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/irv.12316/full, 28.10.2015.
[2] Janet E McElhaney: „The unmet need in the elderly: How immunosenescence, CMV infection, co-morbidities and frailty are a challenge for the development of more effective influenza vaccines”, http://www.ideal-ageing.eu/uploads/publicaties/2012/2012_mcelhaney_vaccine.pdf, 28.10.2015.
[3] Sebastian Suerbaum: Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie, Springer 2012, S. 476 ff.
[4] S Michael Marcy: „Fever as an adverse event following immunization: case definition and guidelines of data collection, analysis, and presentation”, http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0264410X03006601, 28.10.2015.
[5] Gerd Herold: Innere Medizin, Eigenverlag 2015, S. 873-875.
[6] Esteban A Hernandez-Vargas: „ Effects of Aging on Influenza Virus Infection Dynamics”, http://jvi.asm.org/content/88/8/4123.long, 28.10.2015.
[7] A Grandjean, „Water requirements, impinging factors, and recommended intakes”, http://www.who.int/water_sanitation_health/dwq/nutwaterrequir.pdf, 12.10.2015.
[8] Tobias Hitziger: „Die alte junge Kamille“, http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=24950, 28.10.2015.
[9] Bettina Neuse-Schwarz: „Mit Thymian und Primel gegen Husten und Schleim“, http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=1908, 28.10.2015.
[10] „Fenchel. Arzneipflanze des Jahres“, http://www.presse.uni-wuerzburg.de/einblick_archiv/archiv_2008/uni_intern0848/fenchel/, 28.10.2015.
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Veröffentlicht durch: | Erkältet.info-Redaktion |
Erstellt am: | 25.11.2015 |
Zuletzt aktualisiert am: | 16.11.2017 |
Prüfzyklus: | jährlich |