Grippe: Häufige Fragen

Medizin gegen Grippe

© PantherMedia / Claudio  Ventrella 

Die echte Virusgrippe (kurz Grippe, Influenza) unterscheidet sich unter anderem in der Stärke der Krankheitszeichen sowie dem verursachenden Virus von anderen, banalen Erkältungsinfekten der oberen wie auch der unteren Atemwege. Auslöser der Grippe ist das Influenzavirus, ein Angehöriger der sogenannten Orthomyxoviren. Es gibt drei unterschiedliche Typen von Influenzaviren, welche Influenza A, B und C genannt werden. Influenza Typ C ist als Krankheitsursache beim Menschen nach derzeitiger Datenlage irrelevant. DieTypen A und B jedoch können ernsthafte Erkrankungen verursachen, darunter Lungenentzündungen (Pneumonie), Herzmuskelentzündungen (Myokarditis) oder auch ernstzunehmende neurologische Krankheitsbilder. Die Influenza Typen A und B unterscheiden sich durch ihren Aufbau, welcher wiederum typische Angriffsziele für Medizin gegen die echte Grippe bietet.[1]

Medikamente gegen die echte Grippe

Die Influenzaviren beider Typen A und B besitzen einen charakteristischen Vermehrungsprozess in befallenen menschlichen Wirtszellen (Virusreplikation). Am Ende der Vermehrung des Influenzavirus in den menschlichen Zellen steht die Entlassung der neu gebildeten krankmachenden Viren in das umgebende Gewebe. Dieser Prozess ist bildlich wie eine Abknospung beziehungsweise Abschnürung der neuen Viren (genauer dann: Virionen) zu verstehen und wird international als Budding (engl. to bud – knospen) bezeichnet. Das Budding benötigt zur kompletten Loslösung des Virus von der menschlichen Zelle eine Art molekulare Schere. Diese Aufgabe erfüllt ein Enzym, das Neuraminidase (Synonym: Sialidase) genannt wird. Wirkstoffe gegen Grippe aus der Gruppe der sogenannten Neuraminidasehemmer (Neuraminidaseinhibitoren) können also die Influenza in dem Sinne nicht ursächlich heilen, aber die Ausbreitung des Influenzavirus im menschlichen Körper behindern und so nach Studienlage die Krankheitsdauer verkürzen.[2] Vertreter der Neuraminidasehemmer sind Oseltamivir, Zanamivir, Peramivir und Laninamivir. Die ersten beiden Wirkstoffe haben bereits eine Zulassung in Deutschland.

Wirkstoff: Oseltamivir, Zanamivir

Nebenwirkungen: Übelkeit und Erbrechen möglich, Zanamivir kann Bronchospasmen (Verkrampfung der Bronchien) verursachen

Wechselwirkungen: keine bekannt

Kontraindikationen: Nierenunterfunktion (Niereninsuffizienz, relative Kontraindikation, Dosisanpassung notwendig), für Schwangere und Stillende stehen nicht genügend Daten zur Verfügung (ein Einsatz kann jedoch erwogen werden), Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff

Anwendung und Dosierung: Bestenfalls Anwendung innerhalb von 48 Stunden nach Symptombeginn (danach auch noch möglich!), Oseltamivir wird als Kapsel eingenommen (gewichtsangepasst dosiert für Kinder, ab 13 Lebensjahren 75 mg zwei Mal am Tag über fünf Tage hinweg), Zanamivir wird als Pulver inhaliert (gewichtsangepasst dosiert für Kinder, Erwachsene nehmen zwei Inhalationen zwei Mal am Tag über fünf Tage hinweg).[3]

Influenzaviren vom Typ A (und vom Typ C) haben einen sogenannten M2-Ionenkanal in ihrer Virushülle, der den Übertritt der viralen Erbinformation in die menschliche Zelle (Uncoating) ermöglicht. Viren des Influenza Typs B besitzen diesen Ionenkanal nicht oder nur in geringer Menge. M2-Ionenkanal Hemmer (Inhibitoren) wie Amantadin und Rimantadin wirken damit praktisch ausschließlich bei Erkrankungen, die durch die Influenza Typ A ausgelöst werden. Für die Therapie der Influenza Typ B müssten extrem hohe Dosen des Wirkstoffs verwendet werden, die jedoch potentiell mit schwerer wiegenden Nebenwirkungen behaftet wären. M2-Ionenkanal Hemmer wurden lange Zeit auch als vorbeugender (prophylaktischer) Schutz gegen Infektionen mit der Influenza A eingesetzt.[4]

Wirkstoff: Amantadin

Nebenwirkungen: insbesondere bei Überdosierungen (Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Mundtrockenheit, Unruhe, Zittern, Konzentrationsschwäche, Verwirrtheit, Schlaflosigkeit, Krämpfe, Störungen der Bewegungskoordination, Hautreaktionen, psychische Störungen, Wassereinlagerungen, Sehstörungen, Blutbildveränderungen)

Wechselwirkungen: Verstärkung der Wirkung von Anticholinergika (Atropin, Scopolamin etc.) sowie von auf das Gehirn wirkenden Stimulantien (Sympathomimetika), zudem können Diuretika (harntreibende Medikamente) zu Wirkverstärkungen von Amantadin führen (bis in giftige Bereiche)

Kontraindikationen: Nierenunterfunktion (Niereninsuffizienz, relative Kontraindikation, Dosisanpassung notwendig), für Schwangere und Stillende stehen nicht genügend Daten zur Verfügung, bei Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff, Psychosen

Anwendung und Dosierung: Bestenfalls innerhalb von 48 Stunden nach Symptombeginn (danach auch noch möglich), im Alter von 5-65 Lebensjahren 100 mg zwei Mal am Tag als Tablette, sonst 100 mg einmal am Tag als Tablette[5]

Aufgrund des großen Gefahrenpotentials von in der Geschichte immer wiederkehrenden Influenzawellen (Epidemien), die durchaus auch den ganzen Globus betreffen können (Pandemie, zuletzt 2009), wird intensiv an weiteren Therapiealternativen geforscht. Derzeit (2015) ist in Russland und den USA ein Wirkstoff (Arbidol) zugelassen, der sich beispielsweise gegen die Virushülle richtet. Der Wirkstoff Favipiravir wird aktuell (2015) in umfangreichen klinischen Studien an Kranken getestet (Phase III Studie) und richtet sich direkt gegen diejenigen Enzyme (RNA-Polymerasen), die die virale Erbsubstanz zusammensetzen. Der Virusbestandteil Hemagglutinin, welcher zur Klassifikation von Influenzaviren herangezogen wird („H“ in bspw. „H1N1“ oder „H3N2“), ist ebenfalls ein vielversprechendes Ziel neuer Medizin gegen Grippe.[6]

Hausmittel wie beispielsweise Saft aus Zwiebeln scheinen ebenfalls Wirkungen direkt gegen Influenzaviren zu haben (Wirkstoffgruppe der Fructane aus Frühlingszwiebeln u.a.)[7], sind jedoch nicht gängige Praxis in der Therapie der Grippe und allenfalls unterstützend anzuwenden.

Alle diese Angaben dienen nur als grobe Information und können in keinem Fall die individuellen Anweisungen und Empfehlungen eines Arztes ersetzen.

Zu beachten

Influenzaviren sind extrem wandelbar und durchlaufen eine im Vergleich zu vielzelligen Wirbeltieren wie dem Menschen stark beschleunigte Evolution. Durch spontane Änderungen im Erbgut (Mutationen) und damit auch Aufbau der Viren kann prinzipiell jeder Wirkstoff seine antivirale Wirkung durch Änderung des Angriffsziels (z.B. den M2 Ionenkanal) verlieren. Daher sollte der Einsatz von Medizin gegen Grippe wohl bedacht und genau nach Anweisung des verschreibenden Arztes erfolgen. Gegen Wirkstoffe aus der Gruppe der M2-Ionenkanal Hemmer sind bereits eine Vielzahl von Subtypen der Influenza A resistent.[8] Gegen Wirkstoffe aus der Gruppe der Neuraminidaseinhibitoren sind seltener Resistenzen beschrieben, jedoch sind auch diese grundsätzlich möglich und gefährlich.

Medikamente mit Wirkstoffen wie Ibuprofen, Acetylsalicylsäure (ASS, nicht bei Kindern unter 18 Jahren zu verwenden!) oder auch Paracetamol wirken nicht ursächlich gegen die Grippe, sondern können lediglich zeitweilig Symptome wie Fieber und Schmerzen lindern.

Auf starke körperliche Aktivität ist bei einer Influenzainfektion zu verzichten, um Komplikationen und verzögerte Heilungsverläufe zu vermeiden. Zudem ist auf eine hohe Flüssigkeitsaufnahme zu achten, da die Grippe nicht selten zu einem starken Flüssigkeitsverlust (Dehydratation) führen kann.

Bei Unsicherheit, sich verschlechterndem Gesundheitszustand oder ausbleibender Symptombesserung innerhalb von ein bis zwei Wochen sowie bei Vorerkrankungen, hohem Alter etc. sollte prinzipiell immer ein Arzt aufgesucht werden.

Einen relativen Schutz (100% sind biologisch nicht zu gewährleisten) vorbestimmten Influenza Typen (richtet sich nach Impfstoffzusammensetzung gemäß WHO Empfehlung) bietet allein die Grippeschutzimpfung beim Arzt. Diese muss in jeder Grippesaison aufgrund der großen Wandelbarkeit des Influenzavirus aufgefrischt werden, um einen möglichst guten Impfschutz zu erreichen.


Behandlungsmöglichkeiten bei einer Grippe