Husten: Krankheitstypen
Nervöser Husten
Husten wird in aller Regel durch eine Reizung der Schleimhäute der oberen und unteren Atemwege verursacht. Dies kann z. B. im Rahmen eines Infekts oder durch das Einatmen von Staub oder anderen Fremdkörper der Fall sein. Normalerweise dient der Hustenreiz als natürlicher Schutzmechanismuszur Reinigung der Atemwege. Durch den erzeugten Luftstrom können festsitzende Fremdkörper mobilisiert und abgehustet werden [1].
Husten ist keine eigenständige Krankheit, sondern das Symptom vieler möglicher Ursachen, vom banalen Infekt bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheitsbildern.
Dauert Husten länger als acht Wochen an, wird von einem chronischen Husten gesprochen [2]. Unterschieden wird der produktive Husten, der durch eine verstärkten Bildung und Mobilisation von Sekreten charakterisiert ist, vom nicht produktiven, trockenen Reizhusten. Reizhusten geht typischerweise nicht mit einem Auswurf von schleimigen Sekreten einher [1].
Insbesondere der chronische Husten bedarf einer näheren ärztlichen Untersuchung, da mehrere ernsthafte Krankheiten, z. B. eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) dahinter stecken können [1].
Lassen sich bei länger andauerndem Husten auch nach intensiver Abklärung durch einen Arzt keine fassbaren Ursachen für die Beschwerden ausmachen, muss auch an eine Hustenform gedacht werden, die durch psychische Komponenten verursacht wird. Ein solcher Husten wird als psychogener Husten oder nervöser Husten bezeichnet und stellt eine Ausschlussdiagnose (Diagnosestellung erst nach Ausschluss aller anderen Krankheitsursachen) dar [3].
Ursachen des psychogenen Hustens
Nervöser Husten hat in der Regel keine organische Ursache, wie es z. B. bei einer Bronchitis der Fall wäre. Deshalb wird diese Krankheit zu den sog. somatoformen autonomen Funktionsstörungen gezählt. Es zeigt sich weder eine übersteigerte Reaktionsbereitschaft der Bronchien auf exogene (äußere) Reize (bronchiale Hyperreagibilität) noch eine erhöhte Empfindlichkeit für Husten (Hustensensitivität) [4].
Obwohl psychogener Husten eher zu den seltenen Hustenformen bei Erwachsenen zählt [5], gehört dieses Krankheitsbild zu den häufigsten psychogenen Atemstörungen [6].
Husten hat eine nicht unerhebliche psychosoziale Komponente [7]. Typischerweise tritt der nervöse Husten als Folge psychischer innerer Belastungen oder starker Anspannungen auf [8]. Das heißt, bei diesem Krankheitsbild äußern sich psychische Konflikte durch äußere körperliche (somatische) Symptome. Dies wird in der Psychologie als Konversion bezeichnet. Die Ursache dieses Hustens ist jedoch in der Regel multikausal, das heißt, viele unterschiedliche Faktoren spielen eine Rolle bei der Entstehung [9].
Bei Kindern tritt der Husten häufig nach einer längeren organischen Krankheit auf, z. B. nach Keuchhusten oder anderen Atemwegsinfekten [10]. Insbesondere Kinder lernen im Laufe dieser Phase der fassbaren organischen Erkrankung eine Veränderung der Umgebungsbedingungen kennen. Beispielsweise erfahren sie von den Eltern vermehrte Zuwendung oder müssen nicht in die Schule gehen. Ohne es bewusst zu steuern, können sich die Symptome nach eigentlicher Genesung weiterhin zeigen, um die positiven Aspekte, die mit der Krankheit verbunden waren, auch danach noch zu erleben [11][12]. Daraus kann dann ein psychisch verursachter Husten resultieren.
Im Kindesalter ist der psychogene Husten am häufigsten im Schulalter zwischen 6 und 14 Jahren. Typischerweise sind Kinder ausMittelschichtfamilien betroffen, die hohen schulischen Leistungsforderungen ausgesetzt sind. Auch Kinder in schwierigen familiären Verhältnissen, z. B. bei Trennung der Eltern, können unter diesem Krankheitsbild leiden [13]. Normalerweise ist der psychogene Husten dann als Ausdruck einer Verlegenheitsgeste oder eines „Sich-bemerkbar-machen-Wollens“ zu bewerten [14].
Weitere Verursacher für einen psychogenen Husten können außerdem Wut und Aggressionen, Streitigkeiten, Demütigungen oder Enttäuschungenin der beruflichen oder familiären Lebenssituation sein [15].
Der Verdacht auf einen psychogenen Husten stellt sich insbesondere dann, wenn der vorhandene Husten einen ungewöhnlichen Klangcharakter aufweist. Typischerweise klingt nervöser Husten demonstrativ blechern oder bellend und ist meist sehr laut [11][16]. Als Ausdruck des warnenden, aggressiven Klanges wird dieser Husten im angloamerikanischen Sprachraum deshalb auch mit dem Schreien kanadischer Graugänse verglichen [13].
Diese Hustenform ist außerdem unproduktiv, das heißt, es kommt zu keinem vermehrten Auswurf von schleimigen Sekreten. Im Gegensatz zu anderen Hustenarten findet hierbei nur ein einzelner Hustenstoß pro Atemzug statt. In manchen Fällen wird der Hustenanfall von einem individuellen Bewegungsmuster begleitet, z. B. bestimmte Körper- oder Extremitätenhaltungen. Zur Differenzialdiagnose kann außerdem beitragen, dass psychogener Husten bei Stress, psychischen Anspannungssituationen, Zuwendung der Aufmerksamkeit oder Anteilnahme verstärkt wird. Zudem ist klassischerweise der Nachtschlaf immer ungestört, das bedeutet, es kommt nachts zu keinen Hustenattacken. Im Gegensatz zur ausgeprägten Symptomatik ist der Allgemeinzustand der Betroffenen aber meistens nicht beeinträchtigt, wie es z. B. bei chronischem Husten im Rahmen eines Asthma bronchiale oder einer COPD der Fall wäre [11].
Grundsätzlich sind bei einem psychogenen Husten alle Übergänge von einem einfachen Räusperzwang bis hin zu starken Hustenanfällen möglich [17].
Die Diagnosestellung eines psychogenen Hustens ist häufig schwierig. So ergeben die körperliche Untersuchung der Patienten oder weitere diagnostische Maßnahmen, z. B. eine Lungenfunktionsprüfung oder eine Röntgenaufnahme, meist keine auffälligen Befunde [13]. Deshalb sollte insbesondere bei Kindern und Jugendlichen auf das Vermeiden einer Überdiagnostik geachtet werden. Im Gegensatz zu Erwachsenen ist bei Kindern eine strahlenbelastende Bildgebung (z. B. Röntgen) oder eine Lungenspiegelung (Bronchoskopie) in der Regel nicht notwendig [11].
Viel eher sollte auf die typische Symptomatik des psychogenen Hustens mit fehlenden Beschwerden während des Schlafes und dem charakteristischen Klangcharakter der Anfälle geachtet und daraus dann die Verdachtsdiagnose des nervösen Hustens abgeleitet werden. Außerdem sollte dieses Krankheitsbild verstärkt zu den möglichen Ursachen eines chronischen Hustens gezählt werden, wenn eine adäquate Therapie mit Medikamenten keine Besserung der Symptome bewirkt [11].
Therapie des psychogenen Hustens
Nachdem die Diagnose eines psychogenen Hustens gestellt wurde, sollte dem Patienten, bei Kindern auch den Eltern, deutlich gemacht werden, dass den Beschwerden keine organische Ursache, z. B. eine Lungenschädigung, zugrunde liegt.
Medikamente, wie sie bei sonstigen Formen des chronischen Hustens eingesetzt werden (z. B. Antitussiva, inhalative Steroide, Beta-2-Sympathomimetika), sind bei psychogenem Husten wirkungslos [13].
Die Prognose der Erkrankung ist vor allem bei Kindern jedoch sehr gut. Normalerweise bedarf der psychogene Husten bei Kindern keiner spezifischen Psychotherapie und erst recht keiner medikamentösen Therapie. Oft ist schon ein einziges ärztliches Aufklärungsgespräch ausreichend, um die Beschwerden in den Griff zu bekommen [11].
In den 1980er-Jahren wurde in den USA eine spezielle Therapiemethode angewandt, die nach Literaturangaben recht vielversprechend scheint. Dabei wird dem betroffenem Kind oder Jugendlichen mitgeteilt, dass der Brustkorb durch den andauernden Husten geschwächt sei und aus diesem Grund zur Stabilisierung des Thorax ein Bettlaken um diesen gewickelt werden muss. Bei diesem Verfahren handelt es sich um eine Art Selbstbeeinflussung der Psyche (Autosuggestion). Das heißt, dass das Unterbewusstsein trainiert wird, an einen bestimmten Umstand zu glauben [13].
Nur wenn die Beschwerden weiterhin andauern, sollte vor allem bei Jugendlichen eine spezifische Psychotherapie in Betracht gezogen werden [11]. Bei einer sog. analytischen Kurzpsychotherapie werden das Symptom und die zugrunde liegende Fehlverarbeitung erkannt und bearbeitet. Bei länger andauerndem psychogenem Husten kann auch eineVerhaltenstherapie durchgeführt werden, bei der dysfunktionale (unzweckmäßige) Lernprozesse als Ursache der Symptome behandelt werden [18].
Zu beachten
Chronischer Husten bedarf sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Erwachsenen immer einer genaueren ärztlichen Abklärung [19]. Länger andauernder Husten kann ein Anzeichen für schwerwiegende Erkrankungen sein und ist deshalb als Alarmsymptom zu werten [1].
Bei den typischen Symptomkonstellationen, die in diesem Artikel beschrieben wurden, sollte insbesondere bei Kindern im Schulalter an das Vorliegen psychischer Aspekte für einen chronischen Husten gedacht werden, bevor eine aufwendige und belastende apparative Diagnostik (Röntgen, Bronchoskopie) durchgeführt wird. Da die medikamentöse Behandlung des psychogenen Hustens keinen Effekt erzielt, sollte darauf verzichtet werden und der Schwerpunkt eher auf die personenbezogene individuelle Therapie gelegt werden, bei welcher der Patient im Mittelpunkt steht [11].
Quellenangaben:
- „Chronischer Husten", http://www.lungenaerzte-im-netz.de/lin/linkrankheit/show.php3?id=5&nodeid=22, 18.05.2015
- „Husten ohne Erkältung“, http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=39653, 18.05.2015
- „Sulzbacher Weg zum besseren Umgang mit Husten“, http://www.kk-sulzbach.de/Inhalt/Fachbereiche/Innere/Folder_Husten.pdf, 18.05.2015
- Claus Kroegel, Ulrich Costabel: Klinische Pneumologie: Das Referenzwerk für Klinik und Praxis, Georg Thieme Verlag, 2013, S. 197.
- „S3-Leitlinie Pneumologie: Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit akutem und chronischem Husten“, http://ww.medical-tribune.de/fileadmin/PDF/Leitlinie_Husten.pdf, 18.05.2015
- „Atemstörungen – Nicht alles was pfeift, ist Asthma“, http://www.allgemeinarzt-online.de/a/1571740, 18.05.2015
- Kroegel(2013): S. 197.
- „Husten – Ursachen, Erscheinungsformen und deren naturheilkundliche Behandlung“, http://www.semmelweis.de/pdf/pdf.php?name=102_bergmeier_husten_deu&ext=pdf, 18.05.2015
- „Husten – DEGAM-Leitlinie Nr. 11“, http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/053-013l_S3_Husten_2014-02.pdf, 23.05.2015
- Astrid Marek: Psychosomatik in der HNO-Heilkunde, Georg Thieme Verlag, 2009, S. 121.
- „Psychosomatik in der Kinderpneumologie: Habitueller Husten“, http://www.kirchheim-verlag.de/fileadmin/KiPra/Praxiskolumnen/FB_Meister_Husten.pdf, 19.05.2015
- Hans Henning Studt, Ernst Richard Petzold, Psychoanalyse – Psychosomatik – Psychotherapie ein Leitfaden für Klinik und Praxis, Walter de Gruyter, 1999, S. 144.
- „Psychogener Husten – Alpenklinik Santa Maria“, http://www.santa-maria.swhosting9.de/media/files/pdf/Rosenecker_PsychogenerHusten.pdf, 19.05.2015
- A. Fenner, H. von der Hardt: Pädiatrische Pneumologie, Springer, 2013, S. 226.
- Studt (1999): S. 144.
- Robert Ploier: Differenzialdiagnosen in der Kinder- und Jugendmedizin, Georg Thieme Verlag, 2012, S. 185.
- Fenner (2013): S. 226.
- Studt (1999): S. 144.
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Veröffentlicht durch: | Erkältet.info-Redaktion |
Erstellt am: | 30.01.2015 |
Zuletzt aktualisiert am: | 10.11.2015 |
Prüfzyklus: | jährlich |
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