- Kranker Darm – krankes System?

Gutes für den Bauch © panthermedia.net / Olaf Karwisch

Mit etwa 400 m² Oberfläche ist unser Darm gleichzeitig unser größtes Organ und unser wichtigster Kontakt zur Außenwelt. Alles, was wir essen und trinken, wird dort weiterverarbeitet, in den Körper aufgenommen oder, falls nötig, unschädlich gemacht. Funktioniert dieses komplexe System nicht mehr, entstehen Krankheiten. Der ganze Körper kann dann aus dem Gleichgewicht geraten [1].

Unser Darm – Lebensraum für Bakterien

In einem erwachsenen Darm leben etwa 500 verschiedene Bakterienarten. Diese Zahl ist nur grob geschätzt. Einige Wissenschaftler gehen sogar von über 1000 Arten aus. Mit der Geburt beginnt die Besiedlung des kindlichen Darms. Je nachdem, ob ein Kind natürlich geboren wird oder mit einem Kaiserschnitt zur Welt kommt, siedeln sich unterschiedliche Bakterienstämme der Mutter im Darm an. Die Darmflora gibt später Auskunft darüber, ob ein Kind mit dem Fläschchen oder an der Mutterbrust aufgezogen wurde und ob ein Erwachsener Fleisch zu sich nimmt oder sich vegetarisch ernährt. Im Laufe der ersten Lebensjahre entwickelt sich ein funktionierendes Immunsystem aus Bakterien im Dickdarm. Das ganze Leben lang passt es sich abhängig von Ernährung und Lebensstil den Bedürfnissen seines Inhabers an. Die besondere Herausforderung dieses differenzierten Ökosystems ist zugleich seine wichtigste Aufgabe: Gifte müssen von Lebensmitteln und krankmachende von harmlosen Bakterien unterschieden werden. Wie genau dieser Prozess abläuft, ist bisher noch nicht endgültig erforscht worden. Sicher ist aber, dass die vielen, gesunden Darmbakterien eine natürliche Konkurrenz um Lebensraum und Nahrung für Krankheitserreger darstellen. Darüber hinaus fördert die Darmflora die Peristaltik, hilft beim Abbau von Toxinen und bei der Herstellung von Vitaminen aus aufgenommenen Nahrungsmitteln [1][2].

Das System gerät aus dem Gleichgewicht

Gerät die Darmflora aus dem Gleichgewicht ist das katastrophal für den ganzen Organismus. Das natürliche, bakteriologische Immunsystem funktioniert dann nicht mehr und gefährliche Keime können problemlos in den Körper eindringen. Infektionen mit verschiedenen Erregern, wie zum Beispiel mit diversten Streptokokken– bzw. Staphylokokkenspezien, Pilzen oder Amöben, aber auch mit Parasiten können die gesunden Bakterien verdrängen. Auch verschiedene Medikamente wie Antibiotika, die Pille oder Cortisol können das empfindliche Gleichgewicht stören. Umweltschadstoffe, aber auch Alkohol und Nikotin sind Gift für den Darm. Am wichtigsten für eine gesunde Darmflora ist natürlich eine ausgewogene, ballaststoffreiche Ernährung. Wer nur Fast Food und Fertiggerichte verzehrt, schadet auf Dauer seiner Gesundheit [1][2].

Ist das System einmal gestört, kann es zu vielen verschiedenen Symptomen kommen. Verstopfung, Durchfall, Übelkeit, Bauchschmerzen und Appetitlosigkeit betreffen direkt das Verdauungssystem. Es können aber auch Mangelerscheinungen entstehen, weil der Darm nicht mehr in der Lage ist, die benötigten Nährstoffe zu resorbieren. Neben Müdigkeit und Kopfschmerzen kann es auch zu vermehrten Infektionen im ganzen Körper kommen, schließlich ist die Darmflora der wichtigste Teil des Immunsystems [1][2]. Wissenschaftler vermuten inzwischen sogar, dass ein Ungleichgewicht der Bakterien im Verdauungstrakt zu Depressionen, Stress und Ängsten führen kann. Sie erklären das folgendermaßen: Darm und Hirn kommunizieren fortlaufend miteinander. Nicht nur das Hirn gibt dem Darm Befehle, der Darm meldet auch nach oben, wenn es Probleme gibt. So könnten Darmerkrankungen durchaus auch psychische Krankheiten verursachen, ohne dass eine psychosomatische Komponente vorliegt [3].

Eine gesunde Darmflora aufbauen

Besonders die Naturheilkunde geht davon aus, dass viele Erkrankungen durch eine gestörte Darmflora und eine ungesunde Ernährung verursacht werden. Dort nennt man dieses Phänomen „Dysbiosis“ [2]. Gerade in Deutschland fällt diese Theorie auf fruchtbaren Boden. So verkaufen sich hierzulande die meisten, nicht-rezeptpflichtigen, verdauungsfördernden und darmsanierenden Medikamente (Digestiva) weltweit.

Viele verschiedene Therapiemethoden und Heillehren schlagen Verfahren vor, wie der kranke Darm wieder ins Gleichgewicht gebracht werden könnte. In der Regel wird dabei zunächst durch Fasten, Einläufe oder Abführmittel „entgiftet“, bevor mithilfe bestimmter Ernährungsregeln eine neue, gesunde Darmflora aufgebaut werden soll. Besonders eignen sich dafür probiotische Lebensmittel wie selbstgemachter Joghurt, Kefir oder bestimmte Tees [2]. Ob diese Kuren tatsächlich funktionieren, konnte bisher allerdings nicht nachgewiesen werden. Wer unter Verdauungsbeschwerden, diffusen Symptomen oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten leidet, sollte deshalb am besten einen Facharzt aufsuchen. Dieser kann mithilfe einer Stuhlprobe feststellen, ob die Darmflora tatsächlich aus dem Gleichgewicht geraten ist und daraufhin die nötigen Behandlungsmaßnahmen einleiten.

Quellenangaben:

[1] S. C. Bischoff: Probiotika, Präbiotika und Synbiotika. Thieme, 2009, S. 33ff.
[2] „Darmflora aufbauen: So geht’s“, http://www.heilpraxisnet.de/hausmittel/darmflora-aufbauen.html, 23.06.2016
[3] A. Vonhoff: „Angst, Depressionen und Stress. Die geheime Macht der Darmbakterien“, http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/verdauung/darm/tid-27253/die-geheime-macht-der-darmbakterien-1-wie-die-darmflora-unser-verhalten-beeinflusst_aid_816300.html, 23.06.2016