- Medizin aus dem Mittelalter gegen Grippe und Erkältung

Naturheilunde mit Heilpflanzen © panthermedia.net / rbhavana

Hildegard von Bingen führte im 11. Jahrhundert ein klösterliches Leben. Die gebildete Frau soll göttliche Visionen empfangen haben, die sie später niederschrieb. Neben einigen eher spirituellen Schriften befinden sich unter ihren Werken auch zwei Bücher über die Behandlung verschiedener Krankheiten. Dort findet man unter anderem ein Rezept für ein Wundermittel gegen verschiedenste Symptome einer Virus-Erkrankung – das Grippepulver. Noch heute vertrauen viele Menschen auf Hildegards Heilkünste [1][2]. Aber was hat es mit der Hildegard-Medizin denn nun auf sich?

Hildegard-Medizin

In ihren zwei Werken „Causae et curae“ („Ursachen und Behandlungen“) und „Physika“ („Naturkunde“) beschreibt Hildegard von Bingen die Behandlung verschiedener Erkrankungen. Ihre Therapiemethoden umfassen bestimmte Ausleitungsverfahren (Fasten, Schröpfen, Aderlass und Schwitzkurzen), phytotherapeutische Ansätze, Behandlungen mit Edelsteinen, Ernährungsvorschriften und spirituelle Anleitungen. Aufgrund ihrer Vielseitigkeit werden Hildegards Heilmethoden häufig als ganzheitliche Medizin bezeichnet. In den 1970er Jahren steigerte sich der Bekanntheitsgrad der Hildegard-Medizin (und vieler anderer alternativer Heilverfahren) aufgrund der Popularität der New-Age-Bewegung. Die Anhänger der Methoden Hildegards betrachten ihre Texte als göttliche Offenbarungen und erhoffen sich wahre Wunder von der Anwendung der vorgeschlagenen Heilverfahren. Historiker dagegen sind sich einig: Die gebildete Hildegard verfasste im 11. Jahrhundert lediglich eine umfassende Zusammenschrift der bekannten mittelalterlichen medizinischen Methoden. Dazu gehörten zum Beispiel die Beschreibung der Krankheitsentstehung als Ungleichgewicht der Körpersäfte und die Ansicht, dass Erkrankungen meist Strafen für begangene Sünden seien. Auch an der Authentizität der Überlieferung bestehen Zweifel. Hildegards ursprüngliche Handschrift ist längst verschollen, es existieren lediglich Abschriften aus dem 13. bis 15. Jahrhundert [1][2].

Grippepulver gegen Husten und Schnupfen?

Aufgrund ihrer Auffassung von der Entstehung der meisten Krankheiten kannte Hildegard noch keinen Unterschied von Grippe und Erkältung. Das Grippepulver, das sie in einer ihrer Schriften beschreibt, gilt ihren Anhängern als wahres Wundermittel gegen verschiedene Virusinfektionen. Hergestellt wird es aus Pulver vom Kranichschnabel, einer bestimmten Pelargonien-Art, Bertram Pulver – bei Bertram handelt es sich um eine kamillenähnliche Heilpflanze – und Muskatnuss. In Kombination mit Brot soll es gegen (grippeassoziierte) Herzschmerzen helfen, bei Schnupfen kann es durch die Nase eingeatmet werden, Husten kuriert man, indem das Grippepulver in Kuchen oder Omelett eingebacken genossen wird und bei Heiserkeit empfiehlt Hildegard angewärmten, mit dem Wundermittel versetzten Wein. Auch gegen Magen-Darm-Beschwerden und Kopfschmerzen soll das mittelalterliche Medikament wirken [3][4].

Auch wenn Hildegards Methoden dem modernen Patienten vermutlich etwas veraltet erscheinen, steckt doch in einigen ihrer Einsichten ein wahrer Kern. Die Pelargonie, aus deren pulverisierten Inhaltsstoffen das Grippepulver zum größten Teil besteht, gilt auch heute als hochwirksame Heilpflanze. Sie hilft dem Immunsystem, die Krankheitserreger zu bekämpfen und bildet auf den Atemwegsschleimhäuten eine Art Schutzschicht, sodass sich Viren und Bakterien dort weniger gut festsetzen können. Von einigen Pharmakologen wird der aus der Kapland-Pelargonie gewonnene Wirkstoff sogar als Alternative zu Antibiotika betrachtet [5].

Quellenangaben:

[1] „Hildegard-Medizin“, https://de.wikipedia.org/wiki/Hildegard-Medizin, 04.02.2016
[2] „Als Heilkundige ihrer und unserer Zeit verehrt“, http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=titel_51_1998, 04.02.2016
[3] Eva Hermann, „Grippezeit: Wirksames Heilmittel gegen lästige Erreger“, http://info.kopp-verlag.de/medizin-und-gesundheit/gesundes-leben/eva-herman/grippezeit-wirksame-hausmittel-gegen-laestige-erreger.html, 04.02.2016
[4] „Pelargonie-Mischpulver“, http://hildegardvonbingen.info/mittel/krautermischungen/pelargoni-presslinge/, 04.02.2016
[5] „Pflanzen gegen Bakterien“, http://www.vital.de/gesundheit/alternative-medizin/artikel/antibiotika-aus-der-natur/page/2, 04.02.2016